Die wahre Geschichte des Krabi Krabong
In jüngster Zeit wurde vielen Menschen erzählt, dass das Krabi Krabong eine alte Kriegskampfkunst sei. In diesem Beitrag gehen wir dieser Behauptung auf den Grund.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Krabi Krabong als Sport und Bühnenkampf: Krabi Krabong wurde unter der Regentschaft von König Rama II (1809-1826 n. Chr.) als Sport und Bühnenkampf für den Adel entwickelt und war nicht für den Kriegseinsatz gedacht. Es diente ausschliesslich der Unterhaltung und Repräsentation.
- Keine Hinweise auf eine Konzeption als Kriegskunst: In Primärquellen wie „Das komplette Krabi Krabong“ finden sich keine Hinweise darauf, dass Krabi Krabong jemals als Kriegskunst gedacht war; es wird ausdrücklich als Show- und Sportkampf mit Replikawaffen beschrieben.
- Geschäft mit Ausländern: Moderne Behauptungen, Krabi Krabong sei eine alte Kriegskunst, richten sich vor allem an ausländische Interessenten, jedoch ohne historische Belege.
Inhaltsverzeichnis
Beitragsdetails
Titel: Die wahre Geschichte des Krabi Krabong
Autor: Pahuyuth
Kategorien: DAB, GRABONG, MAIH ZOOG
Schlagwörter: Bühnenkampf, Freikämpfer, Kampfkunst, Krabi Krabong, König Rama II, Pahuyuth, Replikawaffen, Schwertkampf, Sport
Die wahre Geschichte des Krabi Krabong
Die Geschichte des Krabi Krabong beginnt mit dem Rückzug der Freikämpfer: Nach der Hinrichtung von König Tak Sin im Jahr 1782 n. Chr. zogen sich die verbliebenen Freikämpfer (Pahuyuth) aus Angst vor Verfolgung ins Verborgene zurück. Westliche Einflüsse und die wachsende Präsenz europäischer Söldner, ausgestattet mit modernen Schusswaffen, führten dazu, dass viele der alten Lehrer ihr Wissen als überholt betrachteten. Infolgedessen nahmen zahlreiche Meister ihre Geheimnisse mit ins Grab. Jene, die weiterhin unterrichteten, taten dies im Verborgenen und weit entfernt vom königlichen Hof.
So verschwand Pahuyuth, die uralte Kampfkunst des einfachen Volkes, allmählich aus dem öffentlichen Bewusstsein und wurde zu einer Legende der Vergangenheit. Die Existenz der Freikämpfer und ihr Beitrag zur Geschichte des Landes wurden aus den Chroniken gelöscht und gerieten in Vergessenheit.
Die Ursprünge des Krabi Krabong
Viele Jahre später, während der Regentschaft von König Rama II (1809-1826 n. Chr.), entwickelte das Königshaus eine neue Kampfart: Krabi Krabong.
Diese Disziplin wurde ursprünglich als eine attraktive, repräsentative und zugleich sichere sportliche Betätigung für den Adel geschaffen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus eine Art Bühnenfechten, das in Theaterstücken und zur Unterhaltung ausländischer Gäste am Königshof diente. Über ein Jahrhundert lang blieb Krabi Krabong ausschliesslich den Mitgliedern des Königshauses vorbehalten.
Verbreitung des Krabi Krabong
Erst im Jahr 1920 n. Chr. führte Ajarn Nak Thaephatsadin Na Ayutthaya, mit wohlwollender Unterstützung von König Rama VI, Krabi Krabong in die Öffentlichkeit ein. Wenige Jahre später, etwa um 1936, wurde Krabi Krabong in das Curriculum der thailändischen Sporthochschulen aufgenommen und entwickelte sich von dort zu einem beliebten Breitensport in Thailand.
- In Folge dessen ist das Krabi Krabong noch nie in einem Kriegseinsatz gewesen.
- Es wurde weder in historischen noch in modernen Schlachten verwendet.
- Es war, ist und wird niemals für Kriegszwecke konzipiert oder geeignet sein.
Das Geschäft mit den Ausländern
In jüngster Zeit wird insbesondere Nicht-Thailändern erzählt, Krabi Krabong sei von den alten Kriegern Siams für den Einsatz auf Schlachtfeldern erfunden worden. Tatsächlich gibt es jedoch keinen logischen oder historischen Beleg, der diese Behauptung stützt. Selbst anerkannte Primärquellen des Krabi Krabong erzählen eine ganz andere Geschichte …
Primärquelle: „Das komplette Krabi Krabong“
Hier ist eine der verlässlichsten Primärquellen über Krabi Krabong, die wir finden konnten – ein Buch von 1984.
Der Titel des Buches lautet „Das komplette Krabi Krabong“. Es wurde verfasst von Ajarn Foong Koedkau, dem Vice Professor der Chualalongkorn Universität in Bangkok. Ajarn Foong Koodkeau war ein Schüler von Ajarn Nak Thaephatsadin Na Ayutthaya persönlich. Es erscheint daher durchaus plausibel, dass alle relevanten Fakten über Krabi Krabong in diesem Buch zu finden sein müssten.
Auf dem Klappentext des Buches steht:
„Ich kann von ganzem Herzen und ohne Scham sagen, dass Krabi Krabong ein echter Sport aus Thailand ist.“
Diese Worte sind ein direktes Zitat von Ajarn Nak Thaephatsadin Na Ayutthaya.
Ein Sport bzw. sportlicher Wettstreit ist keine Kriegskampfkunst. An dieser Stelle scheint somit keine Verbindung zwischen Krabi Krabong und einer alten Kriegskampfkunst oder Kriegführung zu bestehen.
Der gleiche Text wird im Vorwort des Buches wiederholt. Hier wird auch die Quelle dieses Zitates angegeben:
„Zitat aus dem Buch „Krabi Krabong“ von Ajarn Nak Thaephatsadin Na Ayutthaya.“
Ajarn Nak Thaephatsadin Na Ayutthayas Buch wurde im Jahr 1970 gedruckt und veröffentlicht.
Der „Vater“ des Krabi Krabong selbst behauptet also, dass es sich bei Krabi Krabong um einen Sport und um nichts anderes handelt.
Ajarn Foongs Vorwort
Ajarn Foongs Vorwort berichtet von seiner Herkunft und seinem Werdegang. Er war ein Stipendiat an der Sporthochschule und lernte ausschließlich von dort Krabi Krabong. Auch hier findet sich kein Hinweis oder Indiz für eine Verbindung zu einer alten Kriegskampfkunst.
Replikawaffen, Imitate und „Spieler“
Seite 14 schreibt explizit die Verwendung von leichten Replikawaffen für das Krabi Krabong vor:
„Die Imitate für Krabi Krabong sind eine ungenaue Nachbildung von Originalwaffen, nur damit man erkennen kann, was was ist.
Die Imitate sollten aus leichten, bruchfesten Hölzern hergestellt werden. Wenn sie nicht bruchsicher sind, kann es teuer und gefährlich für die Spieler werden.“
Auffällig ist, dass der Autor über „ungenaue Nachbildungen“ und „Spieler“ anstelle von „tödlichen Waffen“ und „Kriegern“ schreibt. Er führt dies noch weiter aus:
„Die originalen Waffen bzw. nachgebildeten Waffen, die im Krabi Krabong Sport verwendet werden, lassen sich in drei Kategorien einteilen:
Auch hier beschreibt der Autor die Verwendung von Replikawaffen und nicht die beabsichtigte Nutzung echter Waffen – für ihn scheint es sich beim Krabi Krabong offenbar um die Nachstellung von Kampfszenen und nicht um echte Kampfhandlungen zu drehen.
Das Krabi – keine echte Thai Waffe
Seite 15 zeigt die namensgebende Waffe des Krabi Krabong – das sogenannte „Krabi“.
Das Krabi wurde erst nach der Thonburi Dynastie (18. Jh n. Chr.) entwickelt. Das Design dieser Waffe zeigt Einflüsse von französischen oder portugiesischen Säbeln und auch von chinesischen Schwertern.
Das Wort „Krabi“ hat seinen Ursprung in der chinesischen Sprache und nicht im thailändischen. Dies allein macht es schwer zu behaupten, dass Krabi Krabong eine echte Thai Kampfkunst sei.
Bis zum heutigen Tage werden Krabis als Ziersäbel an thailändische Offiziere vergeben. Dieser Brauch deutet ebenfalls auf einen europäischen bzw. adligen Ursprung hin, anstatt auf eine Herkunft beim gemeinen Volk, das tatsächlich auf Schlachtfeldern kämpfte und das Land über viele Jahrhunderte hinweg verteidigt hat.
Das „Sport-Krabi“
Seite 16 zeigt ein „Sport Krabi“, das für sportliche Aktivitäten und zum Schlagen verwendet wird. Diese Art von Replikawaffe wird üblicherweise aus leichtem, bruchfesten Rattan hergestellt und ist daher relativ leicht in der Handhabung und sicher für die Beteiligten.
Die Verwendung von solchen Replikawaffen ergibt nicht nur in Bezug auf den Zweck des Krabi Krabong als „Show, Sport und Spiel“ Sinn. Darüber hinaus ist durchaus anzunehmen, dass die Lagerung und Verwendung von echten Waffen am königlichen Hofe nach 1782 A.D. strengstens untersagt war.
Das Dab Ayutthaya
Seite 19 zeigt ein originales „Dab Ayutthaya“ (Thai Schwert aus Ayutthaya), wie es in der südostasiatischen Kriegführung über Jahrhunderte hinweg genutzt wurde.
Diese Schwerter wiegen zwischen 900-1200 Gramm und müssen mit anderen Techniken geführt werden als leichte Krabi Säbel.
Das gesamte Buch enthält keinerlei Techniken für schwere Dab-Schwerter. Laut dieser Quelle sollen alle Krabi Krabong Techniken nur mit leichten Imitaten „gespielt“ werden.
Tanz- und Schlagschwerter
Seite 20 zeigt ein „Schwert zum Schlagen“ (oberes Bild) und ein „Schwert zum Tanzen“ (unteres Bild).
Diese Replikas ähneln dem Design der Dab Lanna (Schwerter aus der Gegend von Lanna). Diese sind etwas gerader und länger als Dab Ayutthaya Schwerter.
Auch hier sieht der Autor keine Verwendung von realen Waffen vor.
Abgrenzung zu Langstöcken für Kriegszwecke
Seite 23 zeigt einen „original Langstock“ (oberes Bild) mit Metalldraht gegen Schwerthiebe an beiden Enden und einen „Tanzstock“ mit Ornamenten (unteres Bild). Ein „Schlag-Stock“ befindet sich auf der Folgeseite.
Seite 24 zeigt einen „Langstock zum Schlagen“ mit filzummantelten Enden gegen Verletzungen.
Das gebogene Schild (Dang) ist eine ungenaue Imitation eines Thai-Schildes mit kambodschanischen und indischen Einflüssen. Derartige Schilde wurde üblicherweise zum Tanzen, aber nicht im Krieg eingesetzt. Hiervon ausgenommen sind die Wachen von Adligen, die diese Art Schild zu repräsentativen Zwecken mit sich führten.
Die Schilde des Krabi Krabong
Das rechteckige „Kaeen“-Schild wurde tatsächlich von einigen Wachsoldaten in Kombination mit Schwertern genutzt. Nichtsdestotrotz ist es eher als ein „rituelles Zierschild mit chinesischen Wurzeln“ einzuordnen und hat mit einer typischen Thai Waffe wenig gemein.
Das runde „Lo“-Schild ist ebenfalls keine echte Thai Waffe. Das Design stammt ursprünglich von portugiesischen oder italoromanischen Söldnerschilden.
Seite 28 zeigt zwei Nachahmungen von echten Thai Schilden (Maih Zoog). Dem Autor sind zwei Versionen dieser Waffe bekannt:
- Ein Maih Zoog für Showkämpfe. Diese Waffe ist anderen Waffen unterlegen, aber man kann sie so choreographieren, als ob ein Sieg möglich wäre.
- Maih Sook für Komödien (Anm. d. Red. im Sinne von Clown-Shows)
Der Autor bezieht sich auch hier nicht auf alte Kriegskampfkünste. Stattdessen beschreibt er choreographierte Bühnenkampfelemente, die auf Spaß und Unterhaltung abzielen.
Bühnenkampf und choreographierte Techniken
Diese Haltung spiegelt sich ebenso in der Auswahl der Techniken mit der der Autor das Krabi Krabong repräsentiert. Die Techniken in diesem Buch folgen stets einer festgelegten und für die Beteiligten sicheren Choreographie. Keine der gezeigten Techniken scheinen ernsthaft gefährlich oder von der Intention getragen zu sein, den Gegner zu schädigen.
Elemente aus dem Rammakiern
Die Techniken des Schwerttanzkapitels zeigen starke Bezüge zur indischen Rammakiern Sage. Das Rammakiern ist ein bekanntes Theaterstück, das unter der Regentschaft von König Rama II. (1809-1824) erneut in die Thai Sprache übersetzt wurde und dadurch große Verbreitung fand.
Daraus ergibt sich ebenso, dass viele der sogenannten „alten Techniken“ (ebenso aus dem Muay Boran) im Grunde nicht älter als 200 Jahre sind, sofern sie Fantasienamen aus dem Rammakiern haben.
Doppelschwert-Techniken
Die Doppelschwert-Techniken folgen ebenfalls einer festgelegten Choreographie und weisen weitere Ähnlichkeiten zum Bühnenfechten auf. Tödliche oder schwer verwundende „Kriegstechniken“ fehlen.
In früherer Zeit wurden Doppelschwerter üblicherweise von einfachen Soldaten geführt, während sie Schulter an Schulter in Massenschlachten kämpften. Gemeine Bürger waren für gewöhnlich zu arm um sich überhaupt auch nur ein Schwert leisten zu können.
Dies kann als ein weiter Hinweis auf eine noble Herkunft des Krabi Krabong gewertet werden.
Mit zwei Schwertern gleichzeitig ausgeführte Techniken sehen spektakulär aus und eignen sich hervorragend für Theaterbühnen. Im echten Leben sind sie jedoch impraktikabel. Beidseitig ausgeführte Techniken binden wertvolle Ressourcen und sind relativ leicht zu parieren – man vergleiche die mit einem Boxer der mit beiden Fäusten zur gleichen Zeit zuschlägt.
Techniken wie diese zeigen deutlich, dass es sich beim Krabi Krabong eher um ein „sicheres Bühnenfechten“ als eine alte Kriegskampfkunst handelt.
Waffenlose Techniken
Nur wenige Techniken des unbewaffneten Kampfes sind dem Werk „Das komplette Krabi Krabong“ enthalten. Faustschläge, Ellenbogen- oder Knietechniken fehlen vollständig. Keine der gezeigten Techniken zielt auf den Kopf des Gegners.
Dies ist bemerkenswert, weil heutzutage von einigen behauptet wird, dass Krabi Krabong auf historischen Schlachtfeldern in Kombination mit Muay Boran eingesetzt wurde. Eine historische oder gegenwärtige Verknüpfung dieser beiden Kampfarten wird jedoch nicht in diesem Buch erwähnt.
Fazit
Während es durchaus gerechtfertigt scheint, Krabi Krabong als eine Show- oder Sportkampfart zu bezeichnen, konnten wir keinerlei Hinweis oder Beleg dafür finden, dass dieser Kampfstil irgendeinen Bezug zu altertümlichen Kriegskampfkünsten oder realitätsbasierten Kampfstilen hat.
Dies sind die Fakten, die wir aus der genannten Primärquelle entnommen haben. Andere Quellen des Krabi Krabong führten zu den gleichen Schlussfolgerungen: Der wahren Geschichte des Krabi Krabong.
Bitte lassen Sie es uns wissen, falls wir etwas übersehen haben oder Ihnen ein Beweis vorliegt, der unsere Schlußfolgerungen widerlegt. Wir freuen uns auf Ihre Mitteilung!