Archivtext: Die Toleranz

Auf dieser Seite teilen wir einen Archivtext von unserer alten Website aus dem Jahr 1998, der die Toleranz in der thailändischen Gesellschaft beleuchtet.

📅  1998-09-20  /  📝  2025-02-19  /  📖    /  ⏱️  6 Min.

Archivtext Die Toleranz FEATURED
  • Frieden durch Akzeptanz: Historisch lebten verschiedene Gruppen friedlich zusammen, indem sie die Existenz und Kultur des jeweils anderen respektierten.
  • Liebe und Erziehung: Es gibt zwei Erziehungsansätze – eine Liebe, die Besitzanspruch erhebt, und eine, die das Kind als eigenständiges Individuum unterstützt.
  • Frieden bewahren: Toleranz und Respekt vor unterschiedlichen Lebensweisen sind die Schlüssel zum gesellschaftlichen Frieden, ohne den Versuch, andere zu verändern.

Die Toleranz

Bei der Betrachtung der thailändischen Geschichte stellt man fest, dass man unabhängig davon, in welcher Konstellation der Inhalt dargestellt ist, aus ihr nicht nur den historischen Werdegang des thailändischen Volkes erfahren kann. Im Wesentlichen geht darum, durch behutsame Wahrnehmung einen tieferen Informationsgehalt zu entdecken, um sich dem tatsächlichen Inhalt anzunähern oder auch nicht.

Man sagt:

„Innerhalb des Wissens befinden sich zugleich unzählige Wissensaspekte, die darauf warten, behutsam und mit Verstand entdeckt und erfahren zu werden.“

Das friedliche Zusammenleben von Bauern und Jägern

Die thailändische Geschichte spiegelt die Ereignisse und Umstände eines Volksstammes wieder, dessen Menschen als Bauern und Fischer im Talgebiet des Altai-Gebirge ansässig waren. Eine weitere Gruppe von Menschen wanderte derzeit in demselben Gebiet als Jäger umher. Zwischen diesen beiden Gruppierungen gab es unterschiedliche Territorialansprüche. Die Bauern hielten ihr Gebiet besetzt, und die Jäger hielten sich dort nur als vorübergehende Besucher auf oder passierten das Gebiet. Auf diese Art und Weise lebten sie mehr als tausend Jahre friedlich miteinander in ein und demselben Gebiet.

Der Friede zwischen beiden Gruppen konnte deswegen herrschen, weil die Jäger das Gebiet der Bauern respektierten, und sich nur zum Passieren darin aufhielten, ohne es in Besitz zu nehmen, und die Bauern auf der anderen Seite die Jäger darin duldeten bzw. akzeptierten.

Man sagt:

„Es ist nicht so, dass man nie etwas richtig gemacht hat, sondern durch das Streben nach mehr hat man es lediglich für falsch gehalten.“

Der Verlust des Friedens und der Aufstieg des Besitzanspruchs

Im Laufe der Zeit hatten die Bauern den Jägern das Bauernleben beigebracht, damit sie in die Bauerngesellschaft aufgenommen werden konnten und umgekehrt. Die Jagdgebiete wurden in Erntegebiete umgewandelt, und für die Jäger wurde es immer schwieriger zu überleben, so dass sie von der Jagd schließlich zur Zucht kamen. Von nun an begann der Anspruch der einzelnen sich wie eine endlose Spirale zu drehen, und nicht nur das Notwendige um zu überleben war erstrebenswert, sondern vielmehr der Anspruch auf Herrschaft und grenzenlosen Besitz innerhalb der Gesellschaft wurde wichtig. Gleichzeitig begann innerhalb der Gruppierung eine Aufteilung nach Interessen und Rassen. Es entstanden Interessengemeinschaften der altertümlichen Bauern und Jäger, der Tierzüchter mit bäuerlicher Herkunft und der Bauern die aus Jägerfamilien stammten, um sich gegen die anderen durchzusetzen.

Warum wurde der Frieden zerstört?

Weshalb ist nun der Frieden unter ihnen zerstört worden? Weil sie versuchten den anderen nach ihrer Gesellschaft zu verändern, weil ihre Existenz durch den Besitz und das Streben nach mehr bestimmt war, und weil sie begannen die Umwelt in der sie leben wollten selbst zu erschaffen.

Man sagt:

„Der Frieden ist wie die natürliche Existenz der Umwelt. Sofern er neu erschaffen wird, geht er verloren.“

Die Lehren der thailändischen Gesellschaft heute

Im heutigen Thailand ist es genau wie damals. Abgesehen von der Veränderung der Nationalität oder dem Ursprung, leben die Thailänder (Bauern) und die Chinesen (Jäger) friedlich miteinander, und bemühen sich um die Erhaltung. Beide Parteien haben die harte Lehre hinter sich gebracht, dass sie anstelle einer gegenseitigen Veränderung zu bewirken, nur einen Leidensweg geschaffen haben. Der Frieden ist auf ihrer Seite, sofern sie die Existenz anderer wahrnehmen, und ohne eine Veränderung herbeiführen zu wollen, respektieren.

Warum herrscht Frieden in Thailand?

Warum ist Thailand ein Land in dem Frieden Herrscht? Weil sie die Lehre vom Frieden verstanden haben, und diesen Wert als einen hohen Besitz ansehen, und alle Versuche die Anderen zu verändern gescheitert sind.

Man sagt:

„Es ist eine Ironie des Schicksals von Menschen, dass sie erst vorwärts gehen müssen, um das Rückwärts zu begreifen.“

Erziehung und der Anspruch der Eltern

Als Kind haben wir immer wieder von den Vorstellungen und Plänen unserer Eltern erfahren, die uns unsere Zukunft vorzeichneten. Sie stellten sich vor was das Kind einmal werden sollte. Sie umsorgten es und taten alles in ihrer Macht stehende für ein reibungsloses Schicksal. Sie beschützten das Kind vor Gefahren die es nach ihrer Auffassung gegeben hatte. Sie bestimmten den Lebensweg für das Kind, so wie sie es nach bestem Wissen und Gewissen für guthießen.

Unterschiedliche Erziehungsmethoden

Manch andere Eltern wiederum ermöglichten dem Kind die Bildung, so dass es seine Entscheidungen in der Zukunft selber treffen konnte. Die Kinder wurden über mögliche Gefahren und Risiken im Leben aufgeklärt, um ihnen die vermeintliche Erfahrung zu ersparen, so wie es dem Erfahrungswert der Eltern entsprach. Sie begleiteten das Kind und leisteten ihm Beistand auf seinem Lebensweg.

Diese beiden Erziehungsmethoden sind mit Sicherheit aus der Liebe der Eltern heraus entstanden, doch existiert ein Unterschied durch die jeweilige Definition. Die eine Liebe definiert sich durch einen Besitzanspruch an das Kind, welches durch die Eltern entstanden ist, und nun sein eigenes Leben auch nach deren Vorstellung leben soll. Die andere Liebe ist eine Liebe aus Verstand und Respekt, die das Kind als Individuum Unterstützung und Beistand gewährt, bis es eigenständig überleben kann.

Das Scheitern der Erwartungen

Von Generation zu Generation können wir feststellen, dass die Kinder die Erwartungen ihrer Eltern nicht erfüllt haben, und dabeihaben weder die Eltern noch die Kinder ihren Frieden oder ihr Glück gefunden. Das Kind ist sogar in einer Unselbständigkeit aufgewachsen, die es ihm weder ermöglicht aus eigener Kraft zu überleben, noch aus eigener Initiative eine Veränderung herbeizuführen.

Man sagt:

„Es ist eine Tragödie der Menschen, dass sie anstelle mit der Zeit aus einem Fehler zu lernen, diese für endlose Wiederholungen nutzen.“

Gestaltung der Umwelt und ihre Folgen

Auch in unserer sogenannten modernen Gesellschaft haben sich die Menschen mehr und mehr von der Gestaltung der Umwelt hinreißen lassen. In mühevollen Versuchen gestalten und erschaffen sie die Umwelt nach ihren eigenen Vorstellungen. Dabei akzeptieren sie auch ihre eigene Aggressivität gegen das Leben und ihren existierenden Lebensraum.

Ein Beispiel: Rauchen und gesellschaftlicher Frieden

Das aktuelle Thema des Rauchens und die damit verbundenen Streitigkeiten verdeutlichen, welches Ausmaß und welche Folgen für das gesellschaftliche Zusammenleben der Thais entstehen könnten, würden sie das Grundprinzip ihrer Vorfahren für den Frieden ignorieren.

Schon vor geraumer Zeit, bevor Thailand zu seiner jetzigen Existenz gekommen war, war die Kultur und das Ritual sowie auch der Genuss von Tabakwaren bereits fester Bestandteil des thailändischen Lebens. Auch in der alt-thailändischen Medizin gehört das Rauchen als Behandlungsmethode seit jeher dazu. Da auch in der heutigen Zeit Rauch und Qualm allein schon aus religiösen Gründen nach wie vor gegenwärtig sind, kann von einem ungewohnten Vorhandensein wohl kaum gesprochen werden.

Rauchen ist eine Form des Genusses, der man ursprünglich im Freien frönte. Durch die Behausungen und die geschlossenen Räume der Menschen wurde das Rauchen zu einem ernstlichen Problem. Ganz abgesehen von der Diskussion bezüglich der Vor- und Nachteile die das Rauchen mit sich bringt, die nur in einer endlosen, gegenseitigen Argumentation und letztendlich zu einer sinnlosen Auseinandersetzung führt.

Der Konflikt zwischen Rauchern und Nichtrauchern

Es ist schwer einen Raucher davon zu überzeugen, auf seinen Genuss zu verzichten, weder mit Hinweisen über mögliche Folgen, noch durch sonstige Überredungskunst. Genauso wenig Erfolg wird der Versuch einen Nichtraucher, der sich als passiver Opferraucher betrachtet, dazu zu überreden die Raucher in ihrem Dasein einfach zu akzeptieren. Die Raucher fühlen sich und ihren Frieden durch die Nichtraucher bedroht und umgekehrt. Solange, wie beide Parteien versuchen ihr Leben in allen denkbaren Varianten ohne den anderen zu gestalten, anstelle sich gegenseitig mit Rücksicht und Respekt kompromissbereit zu zeigen, solange werden beide auch keinen gesellschaftlichen Frieden finden.

Man sagt:

„Weil zwischen uns ein Unterschied besteht, lässt sich unsere Existenz innerhalb einer Gesellschaft als DU und ICH erkennen.“

Schlussbetrachtung

Dieser Text soll nicht als Belehrung oder als besserwisserische Darstellung des thailändischen Charakters dienen, sondern lediglich einen einzelnen Aspekt thailändischer Philosophie beleuchten, durch den man erkennen kann, dass in der geschichtlichen Überlieferung mehr zu entdecken ist, als in Worten niedergeschrieben steht.

von Plaitamin
20.09.1998

Fazit

Der Archivtext „Die Toleranz“ von 1998 zeigt deutlich, dass die Grundlage für Frieden in der Gesellschaft nicht durch erzwungene Anpassung, sondern durch respektvolle Akzeptanz erreicht wird. Der Versuch, andere nach den eigenen Vorstellungen zu formen, führt langfristig nur zu Konflikten und einer zerstörerischen Spirale von Besitzansprüchen. Die historische Darstellung von Bauern und Jägern dient als Metapher für die heutigen Herausforderungen in der thailändischen Gesellschaft, bei der der Wert von Toleranz über alle Generationen hinweg von entscheidender Bedeutung ist. Der Text übt zudem Kritik an starren Erziehungsmethoden, die nicht auf das individuelle Wohl, sondern auf den Besitzanspruch der Eltern fokussiert sind, und verdeutlicht, dass echter gesellschaftlicher Frieden nur dann möglich ist, wenn Unterschiede nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung anerkannt werden.

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