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Zeitdokument – Gutachten der Berliner Senatsverwaltung für Familie, Jugend und Sport vom 19.09.1977
Auf dieser Seite teilen wir ein Dokument aus den Siebziger Jahren, in dem die Berliner Senatsverwaltung für Familie, Jugend und Sport eine Einschätzung über die Qualität des Unterrichts an der Muai-Thai-Schule (die heutige Pahuyuth Schule) und die fachliche Qualifikation des Ausbilders abgibt. Ein solches Gutachten war zu jenem Zeitpunkt notwendig geworden, um den Vorgaben des Alliierten Vorbehaltsrechts zu entsprechen.
Eine Transkription bzw. Übersetzung dieses Schriftstückes sowie Zusatzinformationen zum historischen Kontext befindet sich weiter unten auf dieser Seite.
Transkription / Übersetzung
Der Senator für Familie, Jugend und Sport zu Berlin
An: Senator für Wirtschaft V C 2
Betreff: Aufnahme selbstständiger Erwerbstätigkeit durch Ausländer; hier (REDIGIERT) (thailändischer Staatsangehöriger)
Vorgang: Ihr Schreiben vom 17. August 1977
Nach eingehender Information in der „Europäischen Zentrale des thailändischen Sportkampfes“ sowie Durchsicht dort erhaltener Unterlagen über die betreffende Sportart und nach einem Besuch der „Muai-Thai-Sportschule“ teile ich Ihnen mit, dass aus sportfachlicher Sicht gegen den Betrieb der Schule keine Bedenken bestehen.
An der sportlichen Qualifikation des Herrn (REDIGIERT), der die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit beantragt hat, gibt es keinen Zweifel.
Zu der Sportart selbst ist zu sagen, dass sie sicher eine Bereicherung des von privaten Sportschulen angebotenen Sports darstellt. Es handelt sich um die 1. Sportschule, die das Thai-Boxen in Berlin überhaupt lehrt, und die Schule ist daher mit den vielen bereits existierenden Judo- und Karate-Schulen nicht zu vergleichen.
Darüber, ob diese typisch asiatische Kampfsportart ausreichend Interessenten finden wird, lässt sich z.Z. noch keine Aussage machen.
Die Ausländerakte reiche ich zu meiner Entlastung zurück.
Im Auftrag
(Unterschrift)
Zinder
Historischer Kontext
Die Pahuyuth Schule wurde im Jahr 1975 als „Muai-Thai Studio“ in Berlin-West gegründet. Sie war die erste Schule in Deutschland, die das damals noch unbekannte „thailändische Kämpfen“ publik gemacht hat. Zu den Aufgaben dieser Lehrstätte gehörte es unter anderem den thailändischen Sportkampf (Muay Veti, Muay Thai, Thaiboxen) und die thailändische Kultur in Europa zu fördern, weshalb man in jener Zeit häufig von z.B. „Thailändischem Sportkampf“, den „Techniken der Thai“ und „Muai Thai“ (mit „i“, was übrigens die Originalschreibweise ist) anstelle von MUAI bzw. PAHUYUTH sprach.
Das Pahuyuth selbst ist kein Sport und streng genommen auch keine thailändische Kampfkunst (Thailand wurde erst 1939 gegründet). Nichtsdestotrotz ist es der Ursprung aller thailändischen und vieler südostasiatischen Kampfkünste und Kampfsportarten, weshalb man zu jener Zeit Teile des Pahuyuth (Insbesondere des MUAI) dazu verwendete, um in Deutschland und Europa „Thai-Sport“ und „Thai-Kultur“ zu fördern und so die Grundlage für viele nachfolgende Kampfkünstler und Kampfsportler zu legen.
Im Jahr 1989 kam es zum Fall der Berliner Mauer, der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Abzug der Alliierten Truppen. Der Sonderstatus Berlins entfiel und die Entwicklung des Muai-Thai Studios konnte eine noch authentischere Richtung einschlagen.
In den Neunziger Jahren, als das Thaiboxen (Muay Thai, Muay Veti), nicht zuletzt auch dank der jahrzehntelangen Grundlagenarbeit des Muai-Thai Studios, hinreichend bekannt geworden war, entwickelte sich das Muai-Thai Studio zur heute bekannten Pahuyuth Schule weiter. Der Fokus der Ausbildung verschob sich zunehmend auf Kämpfen mit und ohne Waffen (Pahuyuth) sowie auf den Schutz und die Pflege des überlieferten Freikämpfer-Wissens (Pahuyuth, Heilkunde und Saiyasart) durch Aufklärung und Unterrichtung.
Die Ausrichtung auf traditionelles Kampfwissen und die stetig wachsende Anzahl an Publikationen seitens der Pahuyuth Schule führte indirekt zur Entwicklung des Muay Boran in Thailand und zu einem wachsenden Interesse an traditionellen thailändischen Kampfkünsten (z.B. Krabi Krabong) auf der ganzen Welt.
Bis heute gilt die Pahuyuth Schule als wichtige Wegbereiterin für die Entwicklung thailändischer Kampfsportarten in Europa, sowie als Maßstab setzende Vorreiterin und Autorität für traditionelle thailändische Kampfkünste weltweit. Ihr Zweck ist der Schutz und die Pflege des überlieferten Wissens und der Kultur der alten Freikämpfer durch Aufklärung und Unterrichtung.