Was ist ein Ajahn?
Als Ajahn (auch ajaan, aajaan, ajarn, ajan, acharn oder achaan) bezeichnet man in der thailändischen Sprache einen „Professor“ bzw. „Oberlehrer“. Der Begriff wird sowohl im Theravada-Buddhismus als auch im Lao-Buddhismus als religiöser Titel verwendet.
Inhalt
Geschichtlicher Ursprung
Der Begriff Ajan stammt ursprünglich vom Pali-Wort „ācariya“ ab und fand erst mit der Einführung des Buddhismus Verbreitung. Ähnlich dem japanischen „sensei“ handelt es sich dabei um eine respektvolle Anrede.
In Thailand wird dieser Begriff für Lehrer an Hochschulen und Universitäten sowie für buddhistische Mönche (Abt) verwendet, die zehn Vassa (traditioneller Rückzug während der Regenzeit, siehe Buddhismus) absolviert haben.
In jüngerer Zeit wurde der Begriff Ajahn unter anderem im Muay Thai, Krabi Krabong und Muay Boran eingeführt, um hierarchische Strukturen zu schaffen, Kontrollausübung über Lernwillige zu ermöglichen und wirtschaftlichen Interessen zu dienen (Stichwort: Prüfungsgebühren). Dies stellt eine Abweichung von der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs dar.
Der thailändische Sprachgebrauch
In Thailand wird eine gelehrte Persönlichkeit grundsätzlich als Kru bezeichnet. Ein Ajahn ist hingegen ein Kru, der aus Schülern gelehrte Persönlichkeiten (Kru) gemacht hat. Die kulturelle und soziale Entwicklung der Mönche wie auch die Entwicklung des Buddhismus im Allgemeinen führten im Laufe der Zeit zu einer sprachlichen Vermischung beider Begriffe.
Da es immer wieder Freikämpfer-Veteranen gab, die sich, zum Schutz vor Flucht und Verfolgung, als Mönche in Klöster zurückzogen, gab es über Jahrhunderte hinweg eine ganze Reihe von Mönchen, die das Pahuyuth-Wissen kannten und es insgeheim lehrten.
Nicht immer gelang es dabei allen Schülern die Unterschiede zwischen einem Mönch, einem Abt und einem Pahuyuth-Lehrer zu vermitteln.
Infolgedessen begannen die Menschen immer häufiger, die Begriffe falsch zu verwenden oder gar zu missbrauchen. Dies war vor allem im Bereich der Kampfkunst üblich, wo sich Menschen fälschlicherweise als Lehrer oder Oberlehrer ausgaben, um ihre Position zum persönlichen Vorteil zu nutzen.
Die Folge war, dass das Vertrauen und der Respekt gegenüber Lehrern (Kru) und älteren Lehrern (Ajan) abnahmen, was im Buddhismus noch heute zu spüren ist. Darüber hinaus ging vielerorts auch die eigentliche Bedeutung dessen, was es bedeutet, ein Lehrer zu sein, verloren.
Innerhalb der Entwicklungslinie des Pahuyuth blieb die Rolle eines Lehrers unverändert erhalten – ohne jegliche Unterordnung von Schülern, Verherrlichung von gelehrten Persönlichkeiten oder die Etablierung einer hierarchischen Struktur.
Verwendung im Pahuyuth
Die Ernennung zum „Ajahn“ geht aus historischer Sicht auf ein königliches Belohnungsritual zurück, das bereits im Königreich Nanjauw praktiziert worden sein soll. Die Freikämpfer und Kriegsveteranen, die für den König in den Krieg gezogen waren und überlebt hatten, wurden mit diesem Titel für ihre Tapferkeit belohnt. Sie wurden dann vom Militärdienst befreit, damit sie ihre Lehrtätigkeit ausüben konnten.
Im Pahuyuth selbst ist die Verwendung des Begriffs „Ajahn“ nicht üblich, da hier nicht zwischen Kru (Lehrer) und Ajahn (Oberlehrer) unterschieden wird.
Pahuyuth ist eine Kampfkunst, die Freiheit und Gleichwertigkeit unter Menschen betont. Alle Schüler und Lehrer werden daher prinzipiell als gleichwertig betrachtet, unabhängig von ihrer Gurtstufe ihrer Erfahrung oder sonstigen Merkmalen.
Die Etablierung einer hierarchischen Struktur wird von Angehörigen des Pahuyuth grundsätzlich abgelehnt, was einen Gegensatz zu den kulturellen bzw. religiösen Gepflogenheiten der meisten südostasiatischen Länder darstellt.
Die Rolle des Lehrers im Pahuyuth
Ein Rotgurtträger (Lehrer) ist und bleibt im Selbstverständnis des Pahuyuth immer nur ein Lehrer (Kru). Kämpferlehrer werden in dieser Kampfkunst nicht als heilig oder gar als gottgleich erachtet.
Ein Pahuyuth-Lehrer ist niemals ein Herrscher oder Meister über seine Schüler, sondern lediglich ein erfahrener Kämpfer, der sein Wissen weitergibt und von sich aus das Verzeihen dem Kampf vorzieht (siehe Kämpfereid).
Anstatt die Rolle eines „Oberlehrers“ (Ajahn) einzunehmen, agiert er somit eher wie ein Fährmann, der selbst schon mal einen gefährlichen Fluss überquert hat und nun anderen dabei helfen kann, es ebenfalls zu tun, indem er sein Wissen und seine Erfahrungen weitergibt.
Ein Träger des Rotgurts hat durch die Auseinandersetzung mit der Wesenheit des Kampfes Bewusstsein über sich selbst erlangt.
Er ist sich bewusst, dass er keine übermenschliche oder anbetungswürdige Persönlichkeit ist, sondern einfach nur über mehr Wissen verfügt. In Folge dessen verlangt er von niemanden ihn einen Lehrer zu nennen oder als ihn als Lehrer zu akzeptieren.
Jemanden als Lehrer anzuerkennen oder als Lehrer zu achten obliegt folglich niemals der lehrenden Person selbst, sondern einzig und ausschließlich dem Schüler, der den Wert des vermittelten Wissens für sich erkennt oder auch nicht. Man sagt daher auch:
„Die Schönheit einer Blume entsteht durch die Auffassung des Betrachters.“
Wahrhaft gelehrte Persönlichkeiten ernennen sich daher weder selbst zu einem Lehrer oder gar Oberlehrer, noch streben sie einen derartigen Titel proaktiv an.
Die Praxis sich selbst als Kämpferlehrer (Kru) oder Ober-Kämpferlehrer (Acharn) zu betiteln wird daher von Angehörigen des Pahuyuth als Ausdruck von Unreife und Selbstverherrlichung verstanden.
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